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KrebsligaÜber KrebsLeben mit & nach Krebs

Andrea: «Selbst in der härtesten Zeit gab es schöne Momente.»

Tiefste Trauer über den Verlust ihrer Schwester Pascale, Hoffen und Bangen nach drei Krebsdiagnosen sowie Dankbarkeit, dass es ihr heute so gut geht: Durch Krebs hat Andrea (44) Gefühle in den extremsten Formen erlebt. Sie gab und gibt alles – ausser auf. Heute steht Andrea als Peer anderen Krebsbetroffenen bei.

Yoga tut Andrea gut. Genauso gerne powert sie sich aber auch beim Tanzen aus oder tankt bei einem Spaziergang im Wald auf.

Mit 18 hat man Wünsche, Träume, viele Fragen. Und Andrea? Grosse Sorgen. Von einem Tag auf den andern. Denn in den Herbstferien 1998 zeigen die CT-Bilder, dass die Schmerzen unter Andreas Brustkorb krebsbedingt sind. «Ich habe gespürt, dass etwas nicht stimmt. Aber nie hätte ich erwartet, dass es Krebs ist.» Während sich ihre Gspänli fragen, wo sie ausgehen sollen, fragt sich Andrea, ob sie überhaupt jemals wieder tanzen wird. Während andere ihren Traumjob suchen, weiss Andrea nicht einmal, ob sie ihre Lehre beenden kann. Während ihre Freundinnen am Herausfinden sind, wer sie sind, muss Andrea entscheiden, welche Therapie sie möchte. Die heute 44-Jährige sitzt im ausgewählt eingerichteten Haus in Volketswil bei Zürich: Die Kissen sind farblich abgestimmt auf die Wand, Lampen aus Rauchglas zieren die Ess- und Sofaecke und Pflanzen auf jedem Regal bringen viel Grün ins Innere. Zwischendurch wuselt eine der vier Perserkatzen durch den Raum.

Chemotherapie statt Ausgang

Andrea erinnert sich an die Zeit vor 26 Jahren. Damals,  als sie Eiskunstlauf, Ballett und Feiern liebte und mitten in der KV-Lehre steckte. «Zum Glück gibt es beim Hodg kin-Lymphom eine gute Prognose.» Als sie trotz Krebs diagnose wieder etwas Hoffnung schöpft, sucht auch ihre zwei Jahre jüngere Schwester Pascale den Arzt auf, weil sie unter Schmerzen in der Hüfte leidet. Die Diagnose erschüttert die Familie: Osteosarkom – ein hochaggressiver Knochentumor.

Selbst in der härtesten Zeit gab es schöne Momente.

Andrea, Betroffene

«Unsere Verbindung war schon immer eng, aber die Krankheit und die Angst haben uns umso mehr zusammengeschweisst.» Die Schwestern geben einander Halt, die Eltern stehen ihnen bei. «In diesem Moment habe ich realisiert, was ein Mensch alles aushalten kann. Man wächst in diese Situation hinein – so hart sie auch ist.» 
 

Anderer Look während der Krankheit

Mit ihrer Krankheit geht Andrea offen um. Hart für sie ist, als die Haare ausfallen. «Zuerst habe ich noch gehofft, dass es nur ein paar Büschel sind.» Doch sie verliert immer mehr. Darum entscheidet sie sich für eine Echthaarperücke mit einer anderen Frisur: einem Pagenkopf. «Ich weiss, wie ich mit und ohne Haare aussehe. Wohl deshalb bin ich heute so experimentierfreudig bei Frisuren.» Mal trägt sie die Haare kurz, mal lang, mal blond, rötlich oder natürlich braun. Wie jetzt. Bei unserem Besuch hat Andrea sie zu einem Dutt frisiert. Ihre Fingernägel sind lackiert, die Lippen dezent rosa geschminkt. 

Andrea verträgt die Chemotherapie sehr gut und fehlt nach jedem Zyklus höchstens zwei Tage im Lehrbetrieb oder in der Schule. Auch in der Therapiezeit tanzt und bewegt sich Andrea. Sie verpasst kaum ein Training. Ihr Alltag läuft weiter. 

Derweil hat Pascale eine grosse Operation. Nach guten Zeiten geht es ihr plötzlich immer schlechter. Andrea muss aushalten, dass sie selbst es schaffen und ihre Schwester sterben wird. «Pascale war eine ganz starke Persönlichkeit. Das hat uns allen beim Umgang damit geholfen.» So schwer die Zeit auch ist: «Wir beide haben viel zusammen gelacht.»

Zwei Jahre nach ihrer Diagnose stirbt Pascale. Mit 18 Jahren. Das Vermissen hört nie auf. Andrea sagt mit leiser Stimme: «In Gedanken ist Pascale immer und überall mit dabei.»

Zurück im Leben

Die Jahre vergehen, Andrea schafft ihren Lehrabschluss, arbeitet in der Immobilienbranche, lernt ihren Mann kennen und gründet mit ihm eine Firma im Bereich Immobilienvermarktung. Die Angst, dass der Krebs wiederkommen könnte, bleibt. Andrea lernt mentale Techniken. Beispielsweise meditiert sie, «um zentriert zu bleiben». Sie schaut nicht mehr weit voraus, sondern lebt «viel mehr im Moment als früher.» Andrea ist da.

Mit 27 bringt sie einen Sohn auf die Welt, zwei Jahre später eine Tochter. Als Andrea beim Stillen einen Knoten in der linken Brust fühlt, geht sie sofort zum Arzt. Dieser tippt auf Milchstau und will sie wieder nach Hause schicken. Doch Andreas Gefühl sagt etwas anderes. Tatsächlich entpuppt sich der Knoten als eine Vorstufe von Brustkrebs. Andrea lässt sich die Brust entfernen und ein Implantat einsetzen. 

Ihre dritte Krebsdiagnose bekommt Andrea, als ihre Tochter einjährig ist.

Da sitzt sie nun – zehn Jahre nach der ersten Diagnose – mit zwei kleinen Kindern, darf sie nicht heben oder mit ihnen herumtollen. Gleichzeitig lenkt die Familie ab: «Man macht einfach. Zusammenbrechen geht ja nicht.» Andrea gibt alles – ausser auf.

Ihre dritte Krebsdiagnose folgt ein Jahr nach der zweiten. Diesmal ist der Brustkrebs in der rechten Brust fortgeschritten. Auf die Mastektomie (Brustentfernung) folgen eine Chemo- und eine fünfjährige Antihormontherapie. Lange hadern? Das ist nicht Andreas Ding. Ihr Mann, ihre Eltern, Freundinnen und eine Spitex unterstützen die Familie, Andreas positives Naturell hilft nicht nur ihr selbst, sondern auch den andern. Diesmal rasiert sie sich die Haare augenblicklich im Beisein der Familie ab.

Heute geht es Andrea gut. Sie spürt kaum Nachwehen der Therapien. «Nur meine Hände sind häufig kalt und ich muss aufpassen wegen Osteoporose.» Ihre Kinder sind unterdessen 16- und 14-jährig – das Loslassen der beiden fällt ihr «nicht so leicht». Andrea vermutet, dass dies mit ihren Erlebnissen zu tun hat. Die eigene Geschichte und Pascales Schicksal haben sie geprägt. Andrea ist «unendlich dankbar», dass es ihr gut geht. 

Was sie sich damals mit 18 Jahren gewünscht hätte, möchte sie nun selbst sein: eine Stütze für andere krebsbetroffene Menschen. So meldet sie sich auf der Peer-Plattform der Krebsliga Schweiz an. «Ich möchte anderen Mut machen und Zuversicht schenken. Alles kann wieder gut kommen.» Ihr Dasein für andere Krebsbetroffene gebe ihr viel. So hilft Andrea beispielsweise auch bei Schmink- und Pflegekursen mit. Denn in der Zwischenzeit hat sie auch eine Ausbildung zur Kosmetikerin gemacht. 

Steht die jährliche Nachsorgekontrolle an, schlägt Andreas Puls höher. Dann versucht sie, bewusst zu atmen, meditiert oder hört Mantra-Musik. «Ich lasse die Angst aber auch zu und sage mir, es ist völlig okay, Angst zu haben.»
 

Herzensprojekt: «Pascale Star»

Andrea brauchte viele Jahre Abstand, doch im Winter 2023 ist sie bereit, ihr Herzensprojekt für Krebsbetroffene zu lancieren: pascale-star.ch. Sie begleitet andere Krebsbetroffene, «um ihnen eine Perspektive zu schenken», teilt ihre Erfahrungen, steht anderen vor Untersuchungen bei. Und ganz wichtig: «Wenn jemand einen positiven Bescheid erhält, feiern wir zusammen.» Andrea ist da.

Text: Pia Schüpbach, Fotos: Gaëtan Bally

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