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Katharina: «Brändi Dog» gegen die Angst

18. September 2025

Eine Teddybärin auf dem Sofa, ein Codewort für Rückzug und eine Familie, die beim Spielen am Küchentisch über Sorgen spricht – Katharinas Brustkrebs prägt auch das Leben ihrer Nächsten.

Früher spielte Katharina nicht gerne. Heute geniesst sie Spielabende mit ihrer Familie umso mehr.

Lotta sitzt auf dem Sofa. Die Bärin lässt sich knuddeln, aber auch kneifen oder in die Ecke werfen. «Das war bisher aber nicht oft nötig», sagt Katharina (49) und lacht. Lotta begleitet ihre Familie seit sieben Jahren. Damals sagen sie und ihr Mann Marc ihren Buben, dass sie Brustkrebs hat.

Beim Überbringen der schlimmen Nachricht hilft Katharinas Beruf. Die Kindergärtnerin hat eine Weiterbildung als Kunst- und Ausdruckstherapeutin gemacht. «Ich hätte nie gedacht, dass ich das Gelernte nun für meine Familie brauche.» Wichtig ist ihr, dass Nico und Kian sich sicher fühlen in dieser unsicheren Zeit.

 

Lotta als Trösterli

«Ich dachte zuerst, jetzt stirbt Mama», erinnert sich Kian (14). Nico (16) wusste, was Krebs bedeutet – sein Grossvater war bereits daran erkrankt. Er hat die Krankheit bewusster miterlebt als sein jüngerer Bruder. «Es hat mir Hoffnung gemacht, dass man dank Chemotherapie bei meiner Mama etwas tun kann.» In dieser Zeit verbringt Lotta die eine oder andere Nacht als Trösterli im Bett der Jungs.

Lotta – die Trostspenderin. Sie lässt sich knuddeln, streicheln, hält aber auch ein Kneifen aus.

Für Katharina ist die Diagnose zunächst auch eine Erleichterung. Endlich erklärt sich ihre anhaltende Müdigkeit. Doch dann kommen die Sorgen: «Ich hatte solche Angst, dass ich nicht lange genug für meine Kinder da sein kann.» Die damals 42-jährige Bernerin verliert das Vertrauen ins Leben. Sie, die Macherin, plötzlich zum Aushalten gezwungen?

Katharina findet vor allem Halt bei ihrem Mann Marc (siehe Interview). Und bei Franziska, einer Bekannten, die selbst Brustkrebs hatte. «Mit ihr konnte ich auch über die Angst vor dem Sterben reden», sagt Katharina. Das hilft ihr beim Verarbeiten, gleichzeitig kann sie so ihre Familie schützen. Für Franziska ist der Austausch ebenso wertvoll: «Schon während meiner Krankheit traute sich Katharina, Fragen zu stellen – oder hielt einfach mit mir aus, was war», erinnert sie sich. Heute verbindet die beiden eine tiefe Freundschaft.

 

Ligretto als Türöffner

Zahlreiche Karten und Glücksbringer schmücken die eine Wand im Esszimmer – kleine Zeichen, die Katharina Mut schenken sollen. Oft sitzt die Familie am Holztisch vor der zitronengelben Küche und spielt. «Das mochte ich früher nicht besonders», sagt Katharina. Doch sie merkt: Während des Spielens spricht Nico über seine Sorgen. Brändi Dog oder Ligretto gegen die Angst. So wächst die Zahl der Spielabende genauso wie Katharinas Freude an Gesellschaftsspielen.

«Ich hatte solche Angst, dass ich nicht lange genug für meine Kinder da sein kann.»

Wo Katharina ist, ist oft auch Shyra.

Nach zehn Monaten ist die Therapie vorbei, der Krebs weg. Doch die Erschöpfung bleibt. Manchmal leitet Katharina ihre Jungs vom Sofa aus beim Kochen an – mit Lotta im Arm. Auch Katze Shyra gesellt sich oft dazu. Nico spürt, dass er seiner Mutter am meisten helfen kann, indem er ihr etwas abnimmt. Ein gutes Gefühl: «Beim Kochen konnte ich aktiv etwas tun.» Beide Jungs kümmern sich einmal pro Woche ums Znacht.

Mit Marc entwickelt Katharina ein Codewort: «Schnäggehuus». Wenn sie Ruhe braucht, zieht sie sich ins Schneckenhaus zurück – oder Marc fragt, ob sie eine Pause darin braucht. Wegen ihrer Fatigue muss sie ihre frühere Arbeit als Teamleiterin in einem Pflegeheim aufgeben. Nun arbeitet sie im angestammten Beruf als Kindergärtnerin stundenweise in der Tagesschule. Zudem ist sie im Endspurt für ihr CAS zur Krisen- und Trauerbegleitung.

 

Betroffene und Angehörige

Krebs bleibt allgegenwärtig. 2023 erfährt Katharinas Zwillingsschwester Franziska, dass ihr Hirntumor zurückgekehrt ist. Katharina kümmert sich um ihre Schwester – trotz Fatigue, Familie und Arbeit. «Meine Schwester ist ganz anders mit ihrer Erkrankung umgegangen als ich. Sie hat vieles mit sich selbst ausgemacht», erzählt Katharina. In den letzten Monaten bis zu ihrem Tod im März 2025 ist Katharina intensiv für sie da.

Betroffene unter sich: Franziska und Katharina verbindet unterdessen weitaus mehr als die geteilte Erfahrung mit Krebs. Die Freundinnen wohnen im gleichen Dorf im Berner Mittelland.

Wie ein Schatten liegt der Krebs über Katharinas Familie. Er nimmt ihren Vater, ihren Schwiegervater, ihre Schwester. Als wären diese Verluste nicht tragisch genug, spürt Katharina Anfang Jahr erneut einen Knoten in ihrer Brust. Tatsächlich: ein Rezidiv.

«Diesmal fühlte ich mich weniger ausgeliefert.» Kurz fällt sie in ein Loch, dann spürt sie: «Ich kann auf eine innere Kraftquelle zugreifen.» Das merken auch Marc und die Kinder. Kian sagt: «Ich glaube an das Gute, das hat ja beim ersten Mal auch funktioniert.» Und: «Ich versuche, Mama zu entlasten, indem ich selbständiger bin.» Nico hilft noch mehr im Haushalt. Ämtli wie den Boden aufnehmen hat er wegen Katharinas Fatigue ohnehin schon übernommen. «Ich wusste, dass es anders ist als bei meiner Tante und war froh, dass man den Tumor rausnehmen kann“, sagt Nico. Katharina lässt sich eine Brust entfernen und übersteht drei Monate Chemotherapie.

«Ich kann auf eine innere Kraftquelle zugreifen.»

Kochen für die Mama: Nico (links) und Kian freuen sich, wenn sie Katharina entlasten können.

Diesmal bleibt Lotta meistens auf dem Sofa. Die Familie spielt regelmässig, und am Sonntagabend gibt es ein neues Ritual: Alle sagen, wie es ihnen geht. «Es ist fast wie eine neue Sprache lernen», sagt Katharina. «Heute finden die Jungs Worte für ihre Gefühle.» Das Ritual gibt Halt. «Und wir lernen auch, auszuhalten, wenn es jemandem schlecht geht.»

 

Auftanken in der Natur

Wenn Katharina genug Energie hat, spaziert sie gerne auf einen Hügel im Berner Mittelland oder irgendwo zu einem See. Sie holt sich Wärme bei ihrer Mutter, ihren beiden Brüdern, bei Freunden oder bei der riesigen Eiche im nahen Wäldli. «Mich an diesen Baum zu lehnen, das gibt mir Kraft.»

In einer Chatgruppe gibt sie ab und zu Updates, wie es ihr geht. Oder sie fragt auch mal, ob jemand sie besuchen möchte. Denn einige Freundinnen sagen heute: «Diesmal wollen wir mehr für dich da sein.» Darüber freut sich Katharina. Bei der zweiten Diagnose geht sie noch aktiver mit ihrer Krankheit um. «Ich will in keine Opferhaltung fallen.»

Was sie in schweren Tagen gelernt hat, gibt sie als Trauerbegleiterin gerne weiter. Zusammen mit einer Kollegin führt sie ein Trauercafé. «Als mein Vater starb, habe ich nicht geweint. Manche fragten: Bist du überhaupt traurig?» Das fand sie spannend und sie realisierte: Nicht alle zeigen ihre Trauer gleich. Die Themen Trauer, Tod, Sterben bewegen sie. «Beim Sterben fällt die Fassade.»

Doch so resilient sie ist: Die Verluste und der Krebs haben Katharina verändert. «Ich bin ernster geworden. Manchmal fehlt mir das Leichte. Einfach mal machen, ohne an die Folgen zu denken.» Noch nimmt die Krankheit viel Raum ein. Nach der Chemo steht eine zweite Brust-OP an. Marc, Nico, Kian, Franziska, Freundinnen und Freunde sowie die Familie – sie alle sind für Katharina da. Und umgekehrt genauso. Noch wird die Macherin viele Pausen brauchen. Noch wird sie oft auf dem Sofa liegen. Zum Glück ist da auch Lotta – die Teddybärin, die immer bereit ist.

Text: Pia Schüpbach, Fotos: Sophie Frei

 

Von Peer zu Peer
Der Austausch mit Franziska, die das Gleiche durchgemacht hat, hat Katharina viel Kraft gegeben. So viel, dass sie sich nun selbst bei der Krebsliga ehrenamtlich und mit viel Freude als Peer für andere Betroffene und ihre Angehörigen engagiert.

krebsliga.ch/peerplattform
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