Die Musik – sie brachte auch Kevin und Anja zusammen. Für sein Abschlussprojekt suchte er eine Sängerin und fand Anja. Auf Facebook chatteten die beiden nach der Anfrage bis zum nächsten Morgen weiter. Seit 2010 teilen sie alles: das Leben; Ängste, Sorgen und Momente des Glücks. Als sie noch nicht zusammenwohnten, fuhr Anja einmal vier Stunden Zug, um Kevin 20 Minuten im Spital zu sehen. «Natürlich, ich fahre gerne Zug», sagt sie, «aber vor allem würde ich für Kevin alles tun.»
Dieser sagt: «Ohne Anja wäre ich wohl nicht mehr da. Ein paar Jahre ging es nur noch bergab. Dann kam Anja und die Kurve ging in die andere Richtung.» Als Kevin in Amsterdam wieder einmal auf der Intensivstation lag und Anja ihn eigentlich nicht hätte besuchen dürfen, weil sie keine Angehörige war, beschlossen sie, zu heiraten.
Bis heute verbringen die beiden fast die gesamte Freizeit zusammen. Sie besuchen Konzerte, Fussballspiele des FC-Winterthur-Nachwuchses, für den Kevin auch Socia-Media-Content produziert, oder sie gehen zusammen skateboarden. Früher wäre Kevin noch Treppenstufen mit dem Skateboard runtergedonnert, heute braucht der 34-Jährige am Morgen eine halbe Stunde, bis er wegen seiner arthrose-geplagten Hüften in die Gänge kommt. Immer schmerzt etwas, immer ist irgendein Organ entzündet. Doch Kevin kämpft und freut sich über kleine Dinge: «Wenn wir mal zehn Minuten gemeinsam skaten oder ein paar Stunden snowboarden können, macht mich das glücklich.»
«für immer – partners in crime
du kamst in mein leben aus dem nichts
heute wäre alles ohne dich einfach nichts
denn seit ich dich kenn, glaube ich an wunder
habe sie mit eigenen augen gesehen
ja, du bist der beweis, dass wunder noch geschehen»
Die beiden erlebten nicht nur Hochs, sondern auch tiefste Tiefs. Nachdem Kevin seinen Abschluss geschafft und keine Ziele mehr hatte, schlitterte er in eine Depression. Just, als es ihm wieder besser ging, erlitt Anja ein Burn-out. Eine Psychotherapie und die Liebe zu Kevin halfen ihr auf dem Weg zurück. Anja weiss selbst nicht so genau, «wie sie die Sorgen um Kevin aushält und trotzdem ein glückliches Leben führt». Sicher hilft Anja ihr positives Mindset und die geregelte Arbeit als Marketing Managerin. «Und vielleicht auch, dass wir beide uns der Endlichkeit sehr bewusst sind und alles aufsaugen, was im Moment gut ist?»
«zwischen verzweifelt voller schmerz und high life
chasing the dream und an schlechten tagen daheim sein
zwischen sadness and it‘s time to shine
zwischen oxys und rotwein
zwischen kämpfen und erschöpft sein
irgendwo zwischen nie aufgeben und doch mal wein‘n»
Heute wohnt das Paar in einer Zweizimmerwohnung in Zürich. Es ist eng, das Mischpult steht gleich neben der Küche. Dort produziert Kevin die Musik. Er rappt, Anja singt – als Duo «Motrade» verarbeiten sie ihre Geschichte. Kevin tippt die Texte in sein Handy, wenn er nachts mal wieder nicht schlafen kann. «Und das kommt oft vor.»
Im Februar 2025 soll das erste Album erscheinen, Konzerte sind geplant. Die beiden möchten mit der Musik anderen weitergeben, dass es bei Krebs nicht immer Wundergeschichten gibt. «Aber auch mit Einschränkungen kann man ein gutes Leben haben», sagt Kevin. «Ich bin im Reinen mit mir und meinen Leben.» Und vor allem hat Kevin Anja. Und Anja hat Kevin.
«kämpfen zusammen gegen den tod
denn wir wollen leben
denn wir wollen leben»
(Januar 2025)