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KrebsligaÜber KrebsLeben mit & nach Krebs

Kevin: «Ohne Anja wäre ich wohl nicht mehr da»

Mit 14 Jahren kämpfte Kevin als Snowboarder um Medaillen, bis Leukämie alles radikal veränderte. Doch er hat gelernt, das Leben wieder zu feiern – trotz Schmerz, Schmerzen und Verlust. Denn Kevin hat Anja. Gemeinsam haben sie die Musik.

Zurück im Leben – Kevin erzählt seine Geschichte im neuen aspect-Magazin

* «sonnenkind, sadness
bin irgendwo zwischen den brettern, die die welt bedeuten
und den betten mit den 1000 schläuchen
alarmglocken, die immer läuten»

 

Die Stammzelltransplantation, die werde er wegstecken wie andere einen Kreuzbandriss, sagten die Ärzte zum 14-jährigen Kevin. Er, Kindermodel, Schüler an der Sportschule in Ftan, Fussball-Talent, Snowboard-Kaderfahrer und Skateboard-Virtuose. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Kevin noch gar nicht richtig realisiert, was seine Diagnose Myelodysplastisches Syndrom (MDS) bedeutete. Klar, oft fühlte er sich ausgelaugt, im Spital erhielt er Bluttransfusionen und durfte nicht in die Schule wegen der Infektionsgefahr. Doch in diesen Monaten bis zur Transplantation konnte er zwischendurch nach wie vor snowboarden bis zum Umfallen. Spital und Sport statt Schule. «Das Leben war irgendwie schön in der Zeit zwischen den Bluttransfusionen und Knochenmarkpunktionen», erzählt er. Trotz Krebs.

Bei Kevins Leukämie sind Bildung und Ausreifung der roten oder weissen Blutkörperchen und der Thrombozyten im Knochenmark beeinträchtigt. Nur eine Stammzelltransplantation konnte dem 14-Jährigen langfristig helfen. Die Suche nach einem passenden Spender für Kevin dauerte monatelang.

 

«wollte immer nur ein normales leben, doch meines war geprägt von extremen
ja, ich bin ein sonnenkind, das lernte, im schatten zu leben»

Die heftige Abstossung nach der Knochenmarktransplantation kostete Kevin fast das Leben und schädigte fast alle seiner Organe dauerhaft. «Mein grösster Erfolg? Dass ich noch lebe.»

Dann wurde es schwarz: Mitte 2004 verlor Kevin seine Mutter. Am Ende desselben Jahres seine Gesundheit. Vor der Stammzelltransplantation erhielt er eine hochdosierte Chemotherapie. Nach der Transplantation erkannten die fremden Zellen Kevins Zellen als «fremd» und griffen sie an. Diese Graft-versus-Host-Reaktion schädigte fast all seine Organe. Mit 14 Jahren wog er 54, mit 16 Jahren noch 24 Kilogramm. Bis heute leidet Kevin unter den heftigen Abstossungsreaktionen und muss deshalb täglich einen Medikamentencocktail schlucken.

 

«werde nie mehr so sein wie ihr
es gab zeiten, da sah ich öfter den tod
als ihr etwas von mir»

 

«Mein grösster Erfolg? Dass ich noch lebe.» Der heute 34-Jährige fasst seine Krankenakte in Zahlen zusammen: In den ersten fünf Jahren nach der Transplantation verbrachte er über 1000 Tage im Spital, über 80 Operationen liegen hinter ihm, 14 Hornhauttransplantationen, 2 Herzinfarkte, 2 Lungenembolien, 17 Pneumothoraxe. Seine heutige Lungenkapazität: 28 Prozent. Schmerzen immer und überall.

 

«irgendwo zwischen krankenhaus und träume jagen
kaputte lunge – hard work, ständig ausser atem»

Mit 14 donnerte Kevin mit dem Skateboard die Treppen hinunter. Heute kann der 34-Jährige nur noch kurze Runden drehen. Hauptsache mit Anja.

Aus den Medien kriegte er mit, wie ein paar seiner früheren Kollegen bei Olympischen Spielen Gold holten. «Als ich es einmal kaum noch aushielt, habe ich fast alle meine Erinnerungen ans Snowboarden weggeschmissen – Pokale, Medaillen, Fotos.»

 

«konnte mir keine cheat days erlauben
hatte keine pausen – einfach immer weitermachen
ohne applaus
im hinterzimmer weiter schaffen
hart fürs überleben ackern
wusste, ich werde es packen –
irgendwann
und dann hab auch ich wieder zu lachen»

 

Kevin erzählt ruhig, manchmal sucht er nach dem passenden Wort und blickt zu seiner Frau, die neben ihm sitzt. Anja (32) ergänzt.

«Die Bewegung hat mir krass gefehlt», sagt Kevin. Er spürte: Um nicht an seiner Krankheit zu zerbrechen, musste er etwas Neues suchen. So begann er zwischen Spitalaufenthalten als DJ aufzulegen und machte einen Bachelor in Audioproduktion. In Amsterdam. Mit dem Biss des Spitzensportlers. «Von meinen Schmerzen wollte ich mich nicht bremsen lassen.»

 

«irgendwann hab ich meine liebe für die musik entdeckt
dann hat die musik den sport ersetzt – habe mir neue ziele gesteckt
immer noch mit demselben winner-mindset»

 

Die Musik – sie brachte auch Kevin und Anja zusammen. Für sein Abschlussprojekt suchte er eine Sängerin und fand Anja. Auf Facebook chatteten die beiden nach der Anfrage bis zum nächsten Morgen weiter. Seit 2010 teilen sie alles: das Leben; Ängste, Sorgen und Momente des Glücks. Als sie noch nicht zusammenwohnten, fuhr Anja einmal vier Stunden Zug, um Kevin 20 Minuten im Spital zu sehen. «Natürlich, ich fahre gerne Zug», sagt sie, «aber vor allem würde ich für Kevin alles tun.»

Dieser sagt: «Ohne Anja wäre ich wohl nicht mehr da. Ein paar Jahre ging es nur noch bergab. Dann kam Anja und die Kurve ging in die andere Richtung.» Als Kevin in Amsterdam wieder einmal auf der Intensivstation lag und Anja ihn eigentlich nicht hätte besuchen dürfen, weil sie keine Angehörige war, beschlossen sie, zu heiraten.

Bis heute verbringen die beiden fast die gesamte Freizeit zusammen. Sie besuchen Konzerte, Fussballspiele des FC-Winterthur-Nachwuchses, für den Kevin auch Socia-Media-Content produziert, oder sie gehen zusammen skateboarden. Früher wäre Kevin noch Treppenstufen mit dem Skateboard runtergedonnert, heute braucht der 34-Jährige am Morgen eine halbe Stunde, bis er wegen seiner arthrose-geplagten Hüften in die Gänge kommt. Immer schmerzt etwas, immer ist irgendein Organ entzündet. Doch Kevin kämpft und freut sich über kleine Dinge: «Wenn wir mal zehn Minuten gemeinsam skaten oder ein paar Stunden snowboarden können, macht mich das glücklich.»

 

«für immer – partners in crime
du kamst in mein leben aus dem nichts
heute wäre alles ohne dich einfach nichts
denn seit ich dich kenn, glaube ich an wunder
habe sie mit eigenen augen gesehen
ja, du bist der beweis, dass wunder noch geschehen»

 

Die beiden erlebten nicht nur Hochs, sondern auch tiefste Tiefs. Nachdem Kevin seinen Abschluss geschafft und keine Ziele mehr hatte, schlitterte er in eine Depression. Just, als es ihm wieder besser ging, erlitt Anja ein Burn-out. Eine Psychotherapie und die Liebe zu Kevin halfen ihr auf dem Weg zurück. Anja weiss selbst nicht so genau, «wie sie die Sorgen um Kevin aushält und trotzdem ein glückliches Leben führt». Sicher hilft Anja ihr positives Mindset und die geregelte Arbeit als Marketing Managerin. «Und vielleicht auch, dass wir beide uns der Endlichkeit sehr bewusst sind und alles aufsaugen, was im Moment gut ist?»  

 

«zwischen verzweifelt voller schmerz und high life
chasing the dream und an schlechten tagen daheim sein
zwischen sadness and it‘s time to shine
zwischen oxys und rotwein
zwischen kämpfen und erschöpft sein
irgendwo zwischen nie aufgeben und doch mal wein‘n»

 

Heute wohnt das Paar in einer Zweizimmerwohnung in Zürich. Es ist eng, das Mischpult steht gleich neben der Küche. Dort produziert Kevin die Musik. Er rappt, Anja singt – als Duo «Motrade» verarbeiten sie ihre Geschichte. Kevin tippt die Texte in sein Handy, wenn er nachts mal wieder nicht schlafen kann. «Und das kommt oft vor.»

Im Februar 2025 soll das erste Album erscheinen, Konzerte sind geplant. Die beiden möchten mit der Musik anderen weitergeben, dass es bei Krebs nicht immer Wundergeschichten gibt. «Aber auch mit Einschränkungen kann man ein gutes Leben haben», sagt Kevin. «Ich bin im Reinen mit mir und meinen Leben.» Und vor allem hat Kevin Anja. Und Anja hat Kevin.

 

«kämpfen zusammen gegen den tod
denn wir wollen leben
denn wir wollen leben
»

(Januar 2025)

Text: Pia Schüpbach  Fotos/Video: Sophie Frei/zvg
*Songtexte von Kevins und Anjas Band «Motrade»

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