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KrebsligaForschung«Der Verlust einer nahestehenden Person verändert das Leben für immer»

«Der Verlust einer nahestehenden Person verändert das Leben für immer»

Der Tod der Lebenspartnerin oder des -partners gilt als eines der belastendsten und einschneidendsten Lebensereignisse überhaupt. Die Trauer zeigt sich bei den Hinterbliebenen auch körperlich. Eine Forscherin möchte Angehörige deshalb besser unterstützen.

Interview: Danica Gröhlich

PD Dr. phil. Annina Seiler ist Forscherin sowie klinische Psychologin und Psychotherapeutin. Sie arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Klinik für Radio-Onkologie im Kompetenzzentrum Palliative Care des Universitätsspital Zürich (USZ) und im Konsiliar- und Liaisonpsychiatrischen Dienst (LUPS) am Kantonsspital Luzern.

Annina Seiler, was motiviert Sie, sich täglich für Menschen mit Krebs und ihre Angehörigen einzusetzen?
Die Unterstützung und Begleitung von Menschen mit einer schweren Erkrankung und deren Angehörigen stand stets im Fokus meiner Arbeit als Psychologin im Spital. Leider wird dabei der psychischen Belastung und dem seelischen Leid nach wie vor zu wenig Beachtung geschenkt. Wir können uns nicht vor Schicksalsschlägen schützen. Auch ich musste dies während meiner Ausbildung erfahren. Eine schwere Erkrankung, die Pflege und der Verlust einer nahestehenden Person verändern das Leben für immer. Sie wirken sich auch auf die Arbeit aus. Diese Erfahrung war neu für mich und hat meinen Blick auf das Leben stark verändert. Die Unterstützung von Angehörigen ist mir deshalb ein besonderes Anliegen.

Wie kann sich Trauer nach einem Verlust zeigen?
Trauer ist eine schmerzhafte Erfahrung. Sie kann intensive Gefühle wie Sehnsucht, Wut, Verbitterung, Schuldgefühle, Hoffnungslosigkeit oder Leere auslösen und Monate bis Jahre andauern. Die Trauer verändert jedoch nicht nur die psychische Verfassung. Sie wirkt sich auch auf die körperliche Gesundheit aus. Sie schwächt das Immunsystem und kann das Risiko für die Entstehung von Erkrankungen, insbesondere Herzerkrankungen, erhöhen. Vor allem in der akuten Phase der Trauer berichten Betroffene von Schmerzen oder Engegefühl in der Brust, Atembeschwerden, Übelkeit, Schlaflosigkeit oder Appetitlosigkeit. Zudem leiden sie häufig unter Vergesslichkeit oder Konzentrationsschwierigkeiten. Es können auch verstörende Träume auftreten. Aus evolutionärer Sicht sind soziale Bindungen essenziell für das Überleben. Jede Bedrohung dieser sozialen Sicherheit löst eine komplexe Stress- und Immunreaktion aus. Diese erhöht das Risiko für Entzündungen, Schmerzen sowie für psychische oder körperliche Erkrankungen. Der Verlust eines geliebten Menschen beendet diese schützende Bindung. Trauer ist die neurobiologische Reaktion auf den Verlust einer sozialen Bindung. Die Beteiligung des Bindungssystems bei der Trauerverarbeitung lässt sich nachweisen: So weisen Trauernde erhöhte Oxytocin-Werte auf, also mehr Bindungshormone. Zudem sind bei Trauer ähnliche Gehirnareale aktiv wie bei körperlichem Schmerz.

Kann die Trauer um einen geliebten Menschen auch zu einem vorzeitigen Tod der Hinterbliebenen führen?
Es gibt tatsächlich grosse Studien, die den Zusammenhang zwischen einem nahestehenden Verlust und einem früheren Tod eindrücklich aufzeigen. Demnach besteht besonders innerhalb der ersten sechs Monate nach dem Verlust ein 20- bis 40-fach erhöhtes Sterberisiko, wobei Männer stärker betroffen sind. Dieses Phänomen wird auch als «Widowhood-Effect» oder Sterben durch das «Broken Heart»-Syndrom bezeichnet und lässt sich auch bei Säugetieren beobachten.

«Herzlichen Dank an alle Spenderinnen und Spender der Krebsliga Schweiz! Sie ermöglichen mit Ihrer Unterstützung auch unsere Forschung.»

PD Dr. phil. Annina Seiler

Weshalb werden die Angehörigen, auch nach einer Krebs-Diagnose, zu wenig miteinbezogen?
In der medizinischen Versorgung wird der Fokus oft ausschliesslich auf die Patientinnen und Patienten sowie deren Behandlung gelegt. Dabei können die meisten Patienten die belastenden Therapien nicht ohne die Hilfe und Unterstützung ihrer Angehörigen bewältigen. Die Belastung von pflegenden Angehörigen wird meist übersehen. In Spitälern fehlt es an Ressourcen, um auch die Anliegen und Bedürfnisse der Angehörigen zu berücksichtigen. Viele Menschen wünschen sich, so lange wie möglich im vertrauten Umfeld zu leben. Damit dies auch für Menschen mit einer schweren, unheilbaren Erkrankung gelingt, braucht es Unterstützung zu Hause. Diese wird zum Grossteil von Angehörigen geleistet – meist unbezahlt und im Verborgenen.

Sie möchten pflegende Angehörige mit Unterstützung der Krebsliga Schweiz sichtbar machen.
Genau. Mit unserem Forschungsprojekt wollen wir die Belastung von pflegenden Angehörigen systematisch erfassen. Dazu untersuchen wir während der palliativen Behandlung sowie nach dem Verlust die subjektive Belastung mithilfe von Fragebogen und objektiv mit Stressmarkern. Etwa anhand des Stresshormons Kortisol oder der Herzratenvariabilität, welche die Stressbelastung anzeigen.

Was erhoffen Sie sich für die Zukunft?
Wir möchten die Belastung von pflegenden Angehörigen aufzeigen, um das Unterstützungsangebot für Angehörige im Spital zu verbessern. So könnten wir die Auswirkungen auf die Gesundheit frühzeitig verringern. Ausserdem wollen wir das Bewusstsein in der Öffentlichkeit für pflegerische Herausforderungen stärken. Viele Arbeitgeber wissen nicht, wie sie pflegende Angehörige unterstützen können. Zum Beispiel bei der Vereinbarkeit von Arbeit und Betreuungsaufgaben. Auch der Umgang mit Trauer am Arbeitsplatz darf kein Tabu sein. Dafür setze ich mich gerne jeden Tag ein.

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Betroffene, Angehörige, weitere Interessierte und Fachpersonen können den Dienst unter der Woche per Telefon, E-Mail, Chat oder WhatsApp von 10 Uhr bis 18 Uhr erreichen.

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