Krebs überlebt – und dann? Viele sogenannte Cancer Survivors leiden unter Spätfolgen. Besonders ältere Menschen bauen nach überstandener Erkrankung oft massiv ab. Das möchte die Forscherin Prof. Esther
Bastiaannet ändern.
Krebs überlebt – und dann? Viele sogenannte Cancer Survivors leiden unter Spätfolgen. Besonders ältere Menschen bauen nach überstandener Erkrankung oft massiv ab. Das möchte die Forscherin Prof. Esther
Bastiaannet ändern.
Prof. Esther Bastiaannet: Sie sind Epidemiologin. Weshalb setzen Sie sich besonders für ältere Menschen mit Krebs ein?
Ich hörte erstmals vor etwa 15 Jahren auf einer Konferenz von Forschungsergebnissen über ältere Patientinnen und Patienten mit Tumorerkrankungen. Ich war überrascht, wie wenig darüber bekannt war und wie wenig Aufmerksamkeit sie erhielten. Dabei haben gerade ältere Patientinnen und Patienten schlechtere Überlebenschancen bei Krebs. Als Epidemiologin sehe ich viele Fragen und Herausforderungen, etwa beim Alterungsprozess, in der Biologie oder in der Behandlung. Das motiviert mich, darüber zu forschen.
Was bedeutet für Sie Cancer Survivorship?
Immer mehr Menschen überleben Krebs. Die Diagnose und die Behandlung sind oft sehr herausfordernd. Auch danach ist es schwierig, sich an die körperlichen und emotionalen Veränderungen zu gewöhnen. Viele berichten, dass ihnen der Übergang in ein neues Leben nach der Behandlung schwerfällt. Oftmals kommt es bei Patientinnen und Patienten in den ersten Jahren nach der Diagnose und Behandlung zu einer Verschlechterung der körperlichen Funktionen. Hinzu kommen meist Schwierigkeiten bei den sogenannten kognitiven Funktionen wie Denken, Gedächtnis oder Kommunikation. Auch die so - zialen Fähigkeiten im Umgang mit anderen Menschen nehmen ab. Dennoch ist immer noch zu wenig über das Wohlbefinden älterer Krebsüberlebender bekannt.
Mit welchen weiteren Schwierigkeiten haben denn ältere Menschen nach Krebs zu kämpfen?
Eine Studie beispielsweise begleitete ältere Frauen, die Brustkrebs überwunden hatten, über drei Jahre nach ihrer Behandlung. Dabei fanden die Forschenden heraus, dass diese Frauen weiterhin unter vielen Symptomen littenneben den erwähnten kognitiven Schwierigkeiten auch unter Angstzuständen, Schlafproblemen sowie Neuropathie (Nervenschäden während und nach einer Krebsbehandlung; mehr dazu auf Seite 6). Eine weitere Studie zeigte, dass ältere Überlebende im Gegensatz zu jüngeren zwei Jahre nach der Behandlung keine Verbesserung ihrer Lebensqualität erfahren. Deshalb brauchen wir dringend Informationen. Dann könnten wir gezielt Hilfe anbieten und die Lebensqualität nachhaltig steigern.
Wie sieht die Situation in der Schweiz für Cancer Survivors aus?
Die Diagnose und die Behandlung von Brustkrebs im Frühstadium sind in der Schweiz sehr gut. Wir müssen aber die Unterstützung für Überlebende, besonders ältere, nach dieser herausfordernden Zeit verbessern.
Weshalb wurden ältere Cancer Survivors bislang zu wenig beachtet?
Der medizinische Fortschritt in den letzten 10 bis 15 Jahren hat die Überlebensrate bei ernsten Erkrankungen wie Herzinfarkt und Krebs stark erhöht. Das ist grossartig, stellt aber auch immense Herausforderungen an die Nachsorge. Ältere Patientinnen wurden in klinischen Studien oft nicht berücksichtigt, sodass Daten über sie fehlen. Da die Überlebensrate bei älteren Menschen bei bestimmten Krebsarten gestiegen ist, rückt nun endlich auch die Zeit nach der Diagnose und Behandlung in den Fokus. Ich freue mich, dass mein Team und ich einen wichtigen Beitrag dazu leisten können.
Forschungsprojekt dank SpendengeldernDr. Esther Bastiaannet ist seit 2021 Assistenzprofessorin für Krebsepidemiologie am Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention der Universität Zürich. Die gebürtige Holländerin hat die Aussicht auf eine Professur auf Lebenszeit. «Mit unserer Studie möchten wir den Rückgang der körperlichen, geistigen und sozialen Funktionen älterer Brustkrebsüberlebender untersuchen. Die Krebsliga Schweiz unterstützt unser Forschungsprojekt mit Spendengeldern. Für die Studie werden wir 328 Brustkrebspatientinnen ab 70 Jahren einbeziehen, bei denen der Krebs in einem frühen Stadium ist und die in der Region Zürich operiert wurden. Etwa drei Monate, ein Jahr und zwei Jahre nach der Diagnose werden wir ihre körperliche Leistungsfähigkeit, ihre kognitiven und sozialen Funktionen sowie ihre Lebensqualität kontrollieren. Nach zwei Jahren ergänzen wir diese Daten mit den einzelnen Patientinnen- und Tumormerkmalen. So können wir den körperlichen, kognitiven und sozialen Abbau messen und beurteilen, wie er von älteren Brustkrebsüberlebenden in der Schweiz wahrgenommen wird. Wir möchten dazu beitragen, bessere Nachsorgeprogramme zu entwickeln, damit ältere Menschen nach ihren Krebstherapien nicht mehr alleingelassen werden.» |
Betroffene, Angehörige, weitere Interessierte und Fachpersonen können den Dienst unter der Woche per Telefon, Mail, Chat oder Videotelefonie von 10 Uhr bis 18 Uhr erreichen.