«1. Wie geht man am besten bei der Bewerbung vor, wenn man nach jahrelanger Zwangspause einen Job sucht? Mit einer Lücke von mehreren Jahren im Lebenslauf wird man mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht mal zum Interview eingeladen. Wenn man etwas krankheitsbedingtes schreibt, sinken auch die Chancen, eingeladen zu werden. Ein Jahr könnte man noch mit einem Sabbatical begründen, aber mehrere?
2. Kommt es doch zu einem Interview, was und wie kommuniziert man am besten, wenn man den Arbeitgeber nicht mit Krankheit und IV erschreken will? Man muss ja über die Diagnose nicht reden, aber irgendwas muss man doch als Erklärung geben, damit nicht an der Vertrauenswürdigkeit gezweifelt wird. Insbesondere, wenn man eine Teilzeitstelle sucht, da man nicht voll arbeitsfähig ist und eine IV Teilrente erhält, oder?
3. Würde man ein Angebot bekommen, ist es auch noch wichtig, die Konditionen der Krankentaggeldversicherung zu lesen, wird man mit Vorerkrankung überhaupt aufgenommen, wenn ja, gibt es Ausschlüsse für den Fall eines Rezidivs - wie kommuniziert man das dem Arbeitgeber, ohne ihn zu erschrecken?
4. Hatte man Glück und man hat den Job bekommen, ist aber nicht immer so belastbar, wie eine gesunde Person, wäre es eigentlich schön, wenn der Arbeitgeber darauf Rücksicht nehmen kann. Das setzt aber voraus, dass er darüber weiss. Aber ich habe wirklich bedenken, dass man den Job erst gar nicht bekommt, wenn man das im Voraus kommuniziert? Wir leben in einer Leistungsgesellschaft, Unternehmen leben von Profit, also haben sie 10 gute Bewerber, wovon 9 nicht krank sind, werden sie doch die gesunden bevorzugen, oder?
Vielen Dank für die Antworten. »
— Frage von Maja (15. April 2025)
Nicolas Netzer, Sozialarbeiter MSc und Berater Krebsliga Bern, Region Bern Mittelland:
Guten Tag, vielen Dank für Ihre Anfrage.
Offenlegung der Diagnose – ja oder nein?
Wer sich nach einer Krebserkrankung neu bewirbt, steht vor der Frage, ob die Erkrankung erwähnt werden muss. Grundsätzlich gilt: Nur gesundheitliche Einschränkungen, die die Ausübung der angestrebten Tätigkeit beeinträchtigen, müssen angegeben werden – nicht aber deren Ursache.
Beispiel: Wer keine schweren Lasten mehr heben kann, sollte dies erwähnen, muss aber nicht sagen, dass die Einschränkung von einer Krebserkrankung stammt. Ist die Leistungsfähigkeit hingegen wiederhergestellt und die Stelle gut machbar, besteht keine Offenlegungspflicht.
Arbeitgebende dürfen den Gesundheitszustand nur bei direktem Bezug zur Tätigkeit erfragen. Wichtig ist, sich nicht auf Einschränkungen zu reduzieren, sondern Stärken und Motivation in den Vordergrund zu stellen – gerade auch bei einem Teilzeitpensum. Konzentrieren Sie sich auf das, was Sie können und einbringen – auch bei reduziertem Pensum. Zeigen Sie, dass Sie realistisch einschätzen können, was für Sie im Moment möglich ist – das wirkt professionell
Die Frage, ob und wie viel man offenlegt, lässt sich nicht pauschal beantworten. In der Praxis bedeutet Offenheit zwar manchmal ein Risiko – aber auch eine Chance auf Verständnis. Es hängt stark von der Branche, der Unternehmenskultur und nicht zuletzt von Ihrem eigenen Bedürfnis ab, wie transparent Sie sein möchten. Bei Krebserkrankungen dürfen wir zum Glück oft die Erfahrung machen, dass Offenheit geschätzt wird und Arbeitgebende den Betroffenen mit einer wohlwollenden Haltung entgegentreten.
Versicherungsfragen – was muss man beachten?
Der Versicherungsschutz bei Krankentaggeld hängt von den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) der jeweiligen Versicherung ab. Möglich sind unter anderem:
- Volldeckung: Bei voller Arbeitsfähigkeit zum Arbeitsbeginn, auch bei Vorerkrankung.
- Vorbehalt oder Ausschluss: Nach Gesundheitsprüfung kann ein Ausschluss für bestimmte Diagnosen erfolgen. Viele grosse Versicherer verzichten jedoch darauf, bei allen neuen Arbeitnehmenden eine Gesundheitsprüfung durchzuführen. Wenn sie darauf verzichten, ist ein nachträglicher Ausschluss/Vorbehalt nicht mehr möglich.
- Reduzierte Leistungen: Bei Vorerkrankungen werden oft zeitlich limitierte Taggelder ausbezahlt.
Wichtig: Ein allfälliger Gesundheitsfragebogen geht direkt an Sie – nicht an den Arbeitgebenden. Den Fragebogen müssen Sie zwingend wahrheitsgemäss ausfüllen, da sonst eine Anzeigepflichtverletzung geltend gemacht werden kann. Den ausgefüllten Fragebogen senden Sie direkt dem Versicherer und nicht dem Arbeitgebenden – der Inhalt geht Letzteren nichts an.
Zusätzlich: Wenn Sie beim letzten Arbeitgebenden nahtlos von der Kollektiv- in die Einzeltaggeldversicherung übergetreten sind, ist der Übertritt in die neue Kollektivversicherung meist ohne Vorbehalt möglich (Freizügigkeitsabkommen der Versicherer).
Tipp: Wenn Sie wissen, bei welcher Versicherung der neue Arbeitgeber versichert ist, können Sie die AVB meist online einsehen.
Anreize für Arbeitgebende – Unterstützung durch die IV
Die IV bietet zahlreiche Instrumente für den Wiedereinstieg:
- Beratung und Begleitung
- Arbeitsversuche
- Lohnzuschüsse und Einarbeitungszuschüsse
- Personalverleih
- Entschädigung für Prämienerhöhungen
Diese Anreize können Arbeitgebern den Entscheid für eine Anstellung erleichtern. Am besten klären Sie die Möglichkeiten direkt mit der IV-Stelle Ihres Wohnkantons ab.
Auch in diesem Fall empfehle ich Ihnen, eine Beratung bei Ihrer regionalen/kantonalen Krebsliga in Anspruch zu nehmen.