«Sehr geehrter Dr. Notter
Bei meinem Vater (1963) wurde anfangs Februar 2022 ein Glioblastom im Sprachzentrum diagnostiziert.
Die OP hat er bereits hinter sich und es konnten dabei 95% des Tumors entfernt werden.
Nun steht bald die Chemo- und Strahlentherapie nach Stupp-Protokoll an.
Dr. med. Markus Notter, Facharzt für Radio-Onkologie:
Sehr geehrte/r B.F.,
vielen Dank für Ihre sehr guten fundierten Fragen. Ich versuche diese bestmöglichst zu beantworten.
Ihr Vater soll nun die postoperative Radio-Chemotherapie gemäss dem „Stupp-Protokoll“ erhalten. Wichtig ist in diesem Zusammenhang der sogenannte Methylierungsstatus. Dieser wird vom Pathologen bestimmt. Liegt eine solche Methylierung von Promotorgenen vor, sind die Reparaturfähigkeiten der Tumorzellen eingeschränkt und das Ansprechen auf die Therapie bedeutend verbessert. Diesen Methylierungsstatus können Sie resp. Ihr Vater von den behandelnden Ärzten erfahren. Deshalb ist das vorgeschlagene Therapiekonzept bei pos. Methylierungsstatus immer noch eines der besten. Bei negativem M-Status können allerdings sämtliche bisher bekannten Therapiekonzepte die schlechte Prognose nicht wirklich verbessern.
Sämtliche von Ihnen erwähnten Überlegungen sind noch nicht etablierte Therapiekonzepte, z.T. mit experimentellem Charakter, und auch mögliche Nebenwirkungen sind noch nicht vollständig erkannt. Deshalb sollten solche Therapien nur in Studien evaluiert werden. In diesem Zusammenhang sind auch die Einnahme von Curcuma-, Weihrauchprodukten oder Pilzen zu sehen, über die immer wieder gesprochen wird. Auch hier haben sich erste Hinweise für einen möglichen Erfolg nicht halten können, mutmasslich sind höchstens kleine Verbesserungen zu erwarten. Vielversprechender scheint die E-Feld-Therapie zu sein: elektrische Felder, die mittels Antennen montiert auf einer Kappe die ganze Zeit über abgegeben werden, scheinen das Tumorzellwachstum zu verlangsamen oder vorübergehend zu stoppen. Es gibt Bestrebungen, dies bereits frühzeitig mit der bisherigen Radiochemotherapie zu kombinieren. Sollen die bekannten wirksamen und möglicherweise wirksamen Therapien alle auf einmal abgegeben werden, wie Sie das suggerieren? Das könnte einerseits eine tatsächliche Verbesserung bewirken, oder leider auch gleich viel/wenig wie bisher, jedoch u.U. mit wesentlich mehr kumulierten Nebenwirkungen. Zudem stellt sich die Frage der Zumutbarkeit. Eine eindeutige Antwort darauf gibt es nicht wirklich. Es liegt aber jedem Patienten frei, das zu versuchen zu wollen, was ihm Hoffnung verspricht und er sollte zumindest das Behandlungsteam auf diese Wünsche ansprechen.
Die Situation bei Ihrem Vater ist nicht einfach, umso mehr ist zu bewundern, wie Sie sich engagieren und den traurigen Tatsachen gegenüber realistisch eingestellt sind. Gut, dass an dieser kritischen Lage im Sprachzentrum wenigstens der grösste Teil des Tumors entfernt werden konnte, hoffentlich ohne zu grosse Einbussen der Lebensqualität Ihres Vaters. Ich nehme an, dass Sie bei den jeweiligen Gesprächen Ihres Vaters mit seinen Ärzten mitanwesend zu sein können, um ihn so zu unterstützen und auch von dieser Seite Hilfe und Antworten zu erhalten. Ich wünsche Ihnen und vor allem Ihrem Vater, dass die vorgeschlagenen Therapien zu einer guten Beeinflussung des Tumors führen.
Freundliche Grüsse