Sie haben im Jahr 2019 die Diagnose Krebs erhalten. Inwieweit beeinflusste dies Ihr Leben und Ihre Pläne?
Auf einen Schlag ist alles anders geworden. Von der ersten Sekunde an war mir klar, dass ich überleben wollte. Ein enger Kontakt mit der Natur war mir auch während der Therapie wichtig, selbst als mich die Chemotherapie total aus der Bahn warf. Ich wollte mich von der Diagnose nicht zu sehr vereinnahmen lassen; dem Krebs, den Arztkonsultationen und dem Spitalalltag nicht zu viel Platz überlassen. Dabei verlor ich mein Ziel, irgendwann wieder an Wettkämpfen teilnehmen zu können, nie aus den Augen. Das hat mir enorm geholfen, schwierige Zeiten zu überstehen. Es braucht eine starke Liebe und Passion für etwas, um zu überleben. Das ist manchmal schwer, doch unabhängig von Ort und Situation lässt sich fast immer etwas finden, das einen begeistert und antreibt – so meine feste Überzeugung. Ebenso wichtig ist Bewegung, draussen zu sein, etwas zu unternehmen. Denn gerade in der Natur zeigt sich, wie unglaublich schön und reich das Leben ist.
Was hat sich während der Therapie sonst noch als hilfreich erwiesen?
Im Spital ermunterte man mich schon früh, wieder aufs Boot zu gehen. Ein Rat, der sich ausbezahlt hat, sich aber nicht immer umsetzen liess. Nach der Chemotherapie ging es mir oft zwei bis drei Tage so schlecht, dass ich kaum laufen konnte und mich regelrecht durch den Tag schleppte. Lustigerweise erhielt ich von unerwarteter Seite Hilfe: Meine Katze stupste mich in diesen eher qualvollen Tagen so lange mit dem Kopf, bis ich aufstand und mit ihr nach draussen ging. So startete ich mit jeweils zehnminütigen Spaziergängen, wie es der Arzt angeordnet hatte. Meine Katze wich dabei nicht von meiner Seite und drängte mich Tag für Tag von Neuem, an die frische Luft zu gehen.
Mittlerweile haben Sie bereits mehrere Törns mit Krebsbetroffenen auf dem Thunersee durchgeführt. Wie kommt dieses Angebot an?
Wir sind zusammen auf dem See, im gleichen Boot, mit ähnlichen Erfahrungen – das ist eine ganz besondere Situation. Die meisten sind zu Beginn sehr ruhig und tragen aufgrund ihrer Erkrankung viele Sorgen mit sich. Mein Ziel ist es, dass alle an Bord schöne Momente erleben. Die Zeit auf dem Boot ist sehr intensiv: Da ist der Wind, da sind die Berge, die Wellen und die Manöver, die volle Aufmerksamkeit erfordern. Wir steuern ein Ziel an, kommen voran, tauschen uns aus. Die Gespräche drehen sich um alles Mögliche. Das Segeln macht immer etwas mit den Menschen. Die meisten Gesichter sind gelöst, wenn wir wieder an Land sind – viele lachen, sind glücklich.
Treffen Sie besondere Vorkehrungen für die Segeltörns mit Krebsbetroffenen?
Sicherheit ist mir ganz wichtig – wenn vulnerablere Menschen mit an Bord sind, noch mehr als sonst. Das Boot selbst prüfe ich bereits am Tag vor dem eigentlichen Törn. Doch auch bei einem plötzlichen Wetterumschwung lautet die Devise immer: Safety first. Beim Tempo mache ich ebenfalls Anpassungen und setze zum Beispiel kein zweites Segel, damit wir nicht zu schnell unterwegs sind. Einkalkulieren muss ich auch, dass einige vielleicht noch keine Segelerfahrungen haben, an bestimmten Körperstellen Schmerzen verspüren oder gesundheitlich stark angeschlagen sind. Wichtig ist mir, dass die Leute wieder Vertrauen in sich gewinnen. Vielleicht kämpft jemand mit muskulären Problemen in den Armen und es fehlt an der nötigen Kraft, um das Segel zu hissen. Womöglich reicht sie aber, um die Kurbel zu betätigen. Und Kommandos lassen sich sogar ganz ohne Muskelkraft erteilen. Kurz: Wir finden eigentlich immer eine Lösung.