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KrebsligaÜber KrebsLeben mit & nach Krebs
Meine Geschichte

Anna startet neu ins Leben

01. Juli 2025

Vor zwei Jahren erhielt Anna die Diagnose Lymphom. Heute – mehrere kräfteraubende Chemotherapien und einen Rückfall später – ist die Luzernerin krebsfrei. Wie sie wieder zu ihrer Stärke gefunden hat.

Anna engagiert sich als Peer: «Manchmal geht es einfach darum, zuzuhören. Eine neutrale Person, die nicht gleich wertet oder ungefragt Tipps gibt.»

«Dieses seltsame Bauchgefühl war wohl mein Rettungsanker», erzählt Anna, während wir durch Luzern spazieren. Eigentlich fühlt sich die damals 38-Jährige fit, steht mitten im Leben. Doch an einem kalten Januar-Morgen vor zwei Jahren bricht plötzlich ihre Welt zusammen.

Anna arbeitet da als Pflegeassistentin im Nachtdienst und ist bei ihrem Hausarzt. Niemand kann ihre erhöhten Entzündungswerte erklären. Sie meldet sich noch vor der Jahreskontrolle bei ihrer Frauenärztin. Diese entdeckt die geschwollenen Lymphknoten in Annas Bauch. Anna erinnert sich: «Ich verstand die Worte meiner Gynäkologin, gedanklich habe ich mich aber weggebeamt. Es war wie in einem Film, in dem ich jedoch keine Hauptrolle spielen wollte.»

Vor dem Behandlungszimmer wartet Annas beste Freundin. Diese weinte sofort. Anna schluckt, während sie von diesem Moment erzählt. «Sie hat mich aufgefangen. Dafür bin ich ihr unendlich dankbar!» Und sie sagt gleich: «Wir schaffen das, egal, was passiert.»

 

Der Chemo-Drache

Trotzdem hofft Anna noch bis zuletzt, dass es nichts Schlimmes ist. Dann steht eine Bauchspiegelung an. Ärzte führen eine Kamera durch kleine Schnitte in ihren Bauchraum ein. Sie entfernen einen Tumor im Bauchfell und untersuchen ihn. Die Diagnose: Krebs, ein Hodgkin-Lymphom. Für Anna ein Schock. Damit ist sie eine von etwa 280 Personen, die in der Schweiz jährlich diese Diagnose erhalten.

Hodgkin-Lymphome können überall entstehen, da sich im ganzen Körper lymphatisches Gewebe befindet. Die Krankheit beginnt oft in den Lymphknoten an Hals und Nacken. Dann breitet sie sich über die Lymphknoten im Brustraum zu den Lymphknoten im Bauchraum und zur Milz aus.

«Ich will nicht in Angst leben, sondern mit dem Bewusstsein, dass ein Rückfall jederzeit möglich ist.»

Anna
Betroffene

Anna und der Chemo-Drache: «Ich habe eine blühende Fantasie. Diese hilft mir beim Verarbeiten.»

Nach jeder Chemotherapie bricht sie zusammen. Sie muss regelmässig in den Notfall. Etwa zwölf Mal bekommt sie im Spital Antibiotika. Ihr Körper macht nicht mehr mit. Dann fallen ihre Haare aus. Sie ruft ihre Coiffeuse an. Noch im Spital rasiert diese ihr die langen, schwarzen Haare ab. Es ist ein schwieriger Moment für beide. Sie weinen und lachen. Eine Strähne nach der anderen fällt. Für Anna ist es wie eine Befreiung: «Ich wollte dem Krebs nicht die Macht geben, mir meine Haare zu nehmen! Ich wollte selbst entscheiden!» Inzwischen sind ihre Haare kinnlang nachgewachsen. «Lustigerweise habe ich jetzt Locken!»

Wir stehen inzwischen vor der Kapellbrücke. Anna fällt auf. Asiatische Touristen wollen nun ebenfalls ein Foto von der grossen Frau mit den bunten Tattoos machen.

Der Rückfall

Im Sommer 2023 hat Anna es dann endlich überstanden – vorerst … «Ich wollte neu durchstarten, war in Remission, also krebsfrei, und bereit für mein Leben 2.0», erzählt sie mit einem Strahlen, das ihre unbändige Lebensfreude zeigt. Doch sogleich wird sie wieder ernst. «Die Angst vor einem Rückfall ist immer präsent. Ich wollte sie aber nie in den Vordergrund rücken lassen.» Schliesslich habe auch niemand geahnt, dass der Krebs so schnell wiederkommt.

Die zweite Kontrolluntersuchung nach sechs Monaten zeigt: Ihr Lymphom ist wieder da. Anna sagt mit Tränen in den Augen: «Ich hatte keine Angst mehr vor dem Unbekannten. Am schlimmsten war, genau zu wissen, was ich nochmals durchstehen musste.» Wegen des raschen Rückfalls gilt sie jetzt als Hochrisikopatientin und bekommt eine Stammzelltransplantation. Ihr Umfeld reagiert unterschiedlich: Einige kämpfen nach dem Schock mit ihr weiter, andere ziehen sich zurück. «Sie wussten nicht, ob ich sterben würde. Diese Ungewissheit machte ihnen Angst. Sie sagten es mir, was ehrlich war, aber unglaublich weh tat.»

 

Die «Bucket»-Liste

Anna findet neue Kraft. Sie schreibt weiter in ihrem Tagebuch. Jetzt bleibt sie jedoch in ihren eigenen vier Wänden und beginnt mit Acrylmalerei. Während der Chemotherapie malt sie das schwarze Bild «Scars», Narben. Diese widerspiegeln ihr Inneres. «Ich habe das düstere Bild lange versteckt. Ich musste zuerst heilen und alles verarbeiten. Vor Kurzem habe ich es nun doch aufgehängt», erzählt Anna und lacht.

Nach der Hochdosis-Chemotherapie geht es ihr jedoch immer schlechter. Sie fängt sich wegen ihres geschwächten Immunsystems ein Virus ein, hat 40 Grad Fieber. Sie beginnt eine «Bucketlist» zu schreiben mit jenen Dingen, die sie einmal in ihrem Leben noch machen möchte. «Ich brauchte eine Motivation, um weiterzukämpfen.» Auf ihrer Liste stehen Sachen wie: einmal die Nordlichter sehen, mit der besten Freundin Ramona in Italien Pasta machen, aber auch «Im Regen tanzen».

«Mein Arbeitgeber schätzt meine Offenheit sehr. Der Krebs ist schliesslich ein Teil meines Lebens.»

Für ihren Neustart plant Anna ein weiteres Tattoo: «Eine Löwin auf dem Oberschenkel. Meine Freunde nennen mich Lioness, weil ich wie eine Löwin gekämpft habe!»

Dank einer Stammzelltransplantation mit vorheriger Blutwäsche ihrer eigenen Zellen erholt sie sich und fährt von da an alle drei Wochen nach Zürich. Dort bekommt sie eine Immuntherapie über einen Portkatheter in eine Vene nahe dem Herzen. Ihre letzte Therapie war am 2. Mai dieses Jahres. «Ich will nicht in Angst leben, sondern mit dem Bewusstsein, dass ein Rückfall jederzeit möglich ist.» Für ihren Neustart plant sie ein Tattoo: eine Löwin mit Wildblumenkranz auf dem Oberschenkel. Ihre Freunde nennen sie «Lioness», weil sie wie eine Löwin kämpft.

Seit Februar arbeitet die 40-Jährige in einem Altersheim in Luzern. Sie hat ihre Erkrankung im Lebenslauf und im Vorstellungsgespräch offen kommuniziert. «Mein Arbeitgeber schätzt meine Offenheit. Der Krebs ist schliesslich ein Teil meines Lebens.» Inzwischen begleitet Anna als Peer für die Krebsliga Schweiz auch andere Betroffene. «Ich habe es damals vermisst, mit jemandem zu reden, der das Gleiche durchgemacht hat. Manchmal geht es einfach darum, zuzuhören.»

Unterdessen stehen wir wieder am Ufer des Vierwaldstättersees. Wie geht sie mit der Angst vor einem Rückfall um? Und wie findet sie wieder Vertrauen in ihren Körper? Anna sagt: «Die Selbstliebe muss sich wieder fest verankern. Das dauert. Kontrollverlust ist ein grosses Thema. Man darf nicht erwarten, sofort wieder zu funktionieren. Man muss sagen können, wenn es zu viel ist. Und es ist wichtig, sich etwas Gutes zu tun. Ein Bad nehmen oder mit Freunden Kaffee trinken. Man sollte sich an kleinen Dingen freuen, die nicht selbstverständlich sind.»

Vor dem Bahnhof Luzern verabschieden wir uns. Anna strahlt. «Übrigens bin ich nun seit genau einem Jahr krebsfrei! Mein zweiter Geburtstag – ich werde mich und das Leben feiern und ich werde einmal im Regen tanzen!», verspricht die «Löwin» und verschwindet im Menschenstrom.

Text: Danica Gröhlich, Fotos: Gaëtan Bally

Betroffene begleiten Betroffene und Angehörige
Weitere Informationen zur Peer-Plattform der Krebsliga Schweiz

Gut zu wissen – wichtige Begriffe kurz erklärt

Remission: An Krebs erkrankte Menschen können oftmals erfolgreich behandelt werden. Die Zeit nach den Behandlungen bezeichnen Ärztinnen und Ärzte als Remission. Im Körper können keine Krebszellen mehr nachgewiesen werden.

Rezidiv & Rückfall: Ein Rezidiv oder Rückfall bezeichnet eine Krebserkrankung, die wieder auftritt, obwohl sie behandelt wurde.

Resilienz: Resilienz ist die Fähigkeit, mit schweren Belastungen, wie bei einer Krebsdiagnose, umzugehen. Diese psychische Widerstandskraft kann trainiert werden.

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