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Marcus: «Offenheit bringt viele Vorteile»

Nach seiner Prostataoperation geht es Marcus heute «super». Er spricht über Krebs, Inkontinenz und Impotenz wie andere über das Wetter. Und er wünschte sich, andere Betroffene wären offener: «Nicht über Krebs und die Folgen zu sprechen, das macht einsam.»

Marcus ist zu Besuch bei der Krebsliga, weil er nach dem Interview bei einem Projekt für Cancer Survivors mitarbeitet. Zwei Mal war er beim Cancer Survivors Day in Zürich dabei. Diesen Sommer gab er im Podcast «Leben mit Krebs» Auskunft über seinen Prostatakrebs und die Operation danach. Und als Peer steht er anderen Betroffene zur Seite, wenn sie jemanden zum Austausch suchen. «Nicht über Krebs und die Folgen zu sprechen, das macht einsam», findet Marcus. Darum möchte er andere Betroffene unterstützen. «Männervorsorge ist sehr wichtig.» Marcus weiss, wovon er spricht. 45 Jahre lang hatte er als Pfleger gearbeitet, und dabei nicht einfach seinen Beruf ausgeübt, sondern seine Berufung gefunden.  

Kurz vor seiner Pensionierung stellte sein Hausarzt bei einem Herzcheck einen erhöhten PSA-Wert (prostataspezifisches Antigen) im Blut fest. Die Biopsie beim Urologen ergab: kein Krebs. Etwa ein Jahr später war er beim Hausarzt, weil er glaubte, er hätte Corona. Das gleiche Spiel und wieder ein erhöhter PSA-Wert. Doch diesmal fand der Urologe beim Röntgen einen auffälligen Befund. «Ich habe nur gemerkt, dass es beim Pinkeln etwas länger gedauert hat, sonst war alles wie immer.» 

 

Die Diagnose? Keine Überraschung 

«Nach diesem hohen PSA-Wert habe ich mit einem Karzinom rechnen müssen.» Auch seine Familie haute die Diagnose «nicht aus den Socken». Seine Frau, die zwei Söhne und seine Tochter wussten jederzeit Bescheid über den erhöhten Wert und schon Marcus‘ Vater hatte Prostatakrebs. Sofort informierte er auch sein Team bei der Arbeit.

«Ein offenes Gespräch bringt viele Vorteile. Das Verknorzte mag ich nicht»

Für die Entscheidung, ob er seine Prostata entfernen lassen sollte, liess er sich Zeit. Ein Prostatakarzinom wächst gewöhnlich nicht sehr schnell. Doch: «Es ist ein Entscheid zwischen König und Bettler», gab ihm der Arzt mit. Ein Teil der Männer leidet nach dem Eingriff unter Impotenz oder Inkontinenz. «Und das passt überhaupt nicht zu unserer Gesellschaft. Niemand spricht über Potenzstörungen oder verminderte Blasenkontrolle. Alles muss funktionieren und Männer wollen überall die Besten sein. Zudem: Nirgendwo wird so viel gelogen wie beim Lohn und beim Sex», findet Marcus.  

 

Angst vor Metastasen 

«Wenn ich die Prostata nicht operiere, geht dann mein Lebensabschnittspartner, das Karzinom, auch wieder mal weg?», fragte Marcus seinen Urologen. Dieser verneinte. Da war für Marcus klar: Trotz der Risiken würde er die Prostata operieren. Als Pfleger hatte er mitbekommen, dass Menschen mit Knochenmetastasen grosse Schmerzen haben. Er dachte sich: Lieber die Potenz verlieren als das Risiko für Metastasen einzugehen.   

Marcus entschied sich gegen die Operation durch einen Roboter und legte sich Ende 2020 unters Messer. Sein Bauch wurde aufgeschnitten wie bei einem Kaiserschnitt; alles verlief nach Plan. Die Operation fand an einem Montag statt, am Samstag konnte er den Katheter schon wieder wegnehmen. Marcus trank extra viel, doch der Arzt sagte ihm, das werde noch nicht funktionieren mit Pinkeln. Für viele Männer sei es nach der Operation schwierig, gleich wieder Wasser zu lassen. Als Marcus das Gefühl hatte, er müsse auf die Toilette, konnte er «bisle, als wäre nichts gewesen». Er fügt an: «Ich hatte Megaschwein.» 

Vorübergehend plagte ihn eine leichte Inkontinenz. «Wenn ich viel trinke und huste, niese oder Sport treibe, dann muss ich bis heute etwas aufpassen.» Sein Urologe sagte: «Ich bin nicht operiert, aber ich habe die gleiche Herausforderung.» Marcus ist erleichtert, dass er die Blasenkontrolle zurückhat. Inkontinenz hätte ihm im Alltag mehr Sorgen bereitet als Impotenz.  

 

Vielen geht es gleich 

Als Marcus in seinem Kollegenkreis über seine Erfahrungen sprach, realisierte er rasch: Einige hatten schon Ähnliches erlebt. «Wenn sie etwas lockerer drauf waren, gab es plötzlich offene Gespräche oder sie stellten mir Fragen.» Auch sein Zahnarzt stupste ihn mal an und fragte, wie Marcus denn gemerkt habe, dass er Prostatakrebs habe. 

Marcus weiss, dass er «viel Glück hatte». Heute kann er wieder mit seiner Frau schlafen, als wäre nichts gewesen. Er hütet die Enkel, geht wandern, langlaufen, hat das Töpfern entdeckt und lebt ein sehr aktives Leben. Im Sommer hilft er seinem Bruder beim Heuen auf dem Bergbauerhof. Jammern? «Nein, das bringt einen nicht weiter.»  

«Offenheit bringt viele Vorteile»

Auch Angst hatte er nie. Er versuchte sogar, das Ganze mit Humor zu nehmen. «Das habe ich von meinem Vater, er war immer sehr positiv eingestellt, obwohl er als Bergbauer ein hartes Leben hatte.» Marcus hat erlebt, dass es das Leben nicht immer gut meint. So haben seine Eltern viele Tiere verloren auf dem Bergbauernhof, seine Frau musste als Verdingkind so hart schuften, dass ihre Gelenke heute kaputt sind. Oder Marcus selbst hat als Pfleger zur Corona-Zeit auf der Intensivstation im Spital Visp gearbeitet. Eine einschneidende Zeit: «Da lagen teilweise sehr junge Menschen an der Beatmungsmaschine.» 

 

Da sein für andere 

Durch seine Krebserkrankung hat Marcus Kontakt mit Menschen, die er sonst nicht kennengelernt hätte. Das schätzt er. Als Peer engagiert er sich auf der Peerplattform der Krebsliga und begleitet andere Betroffene, wenn sie sich mit jemandem austauschen möchten. «Ich bin gerne für andere da.» Er erzählt von einem Mann, der grosse Angst vor einem Rezidiv hat. Marcus half ihm mit einem Bild. «Hätte ich ein Haus mit 15 Zimmern, wäre der Rückfall im 15. Zimmer, im Reservezimmer, untergebracht. Das heisst: Darum kümmere ich mich erst, wenn es irgendeinmal so weit ist.» Sagts und fügt an: «Es wird doch nicht besser, wenn man das Leben von der schlechtesten Seite her anschaut!» 

Dann ist 9 Uhr und Marcus verschwindet in den Workshop. Als Cancer Survivor will er sein Wissen weitergeben und mithelfen, dass Krebs und seine Folgen kein Tabu sind. «Lasst uns darüber sprechen und zueinander schauen!» 

Text: Pia Schüpbach / Foto & Video: Sophie Frei 
(November 2024)

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