Dr. Lea Wildisen, Sie arbeiten in der Nationalen Krebsregistrierungsstelle. Weshalb forschen Sie für Menschen mit Krebs?
Dr. Lea Wildisen: Als Gesundheitswissenschaftlerin und Epidemiologin interessiert mich, wie Krankheiten entstehen und welche Faktoren dabei eine Rolle spielen. Es motiviert mich, durch Auswertungen mehr darüber zu erfahren und neue Erkenntnisse zu gewinnen. Besonders freue ich mich, wenn unsere Ergebnisse dazu beitragen, das Leben von Krebsbetroffenen zu verbessern.
Warum steigt die Zahl der Menschen mit einem zweiten Tumor nach einer überstandenen Krebserkrankung?
Das hängt mit einer grundsätzlich positiven Entwicklung zusammen: Die Behandlungen in den letzten Jahren sind viel besser geworden. Heute überleben mehr Menschen ihre erste Krebserkrankung. Dadurch wächst allerdings auch die Zahl der Menschen, die grundsätzlich ein Risiko für eine zweite, neue Tumorerkrankung haben. Wichtig ist hier: Ein Zweittumor ist etwas anderes als ein Rückfall oder Ableger (Metastase) des ersten Tumors. Es handelt sich um eine eigenständige, neue Krebserkrankung mit anderen Eigenschaften als der erste Tumor.
Wie hoch ist denn das Risiko für eine zweite Tumorerkrankung?
Das Risiko hängt von vielen Faktoren ab. Unsere Analyse zeigt jedoch, dass Menschen, die bereits an Krebs erkrankt sind, ein 13 Prozent höheres Risiko für eine zweite Krebserkrankung haben – dies verglichen mit Menschen ohne Krebserkrankung unter Berücksichtigung von Alter und Geschlecht.
Wovon ist dieses abhängig?
Das Risiko für einen zweiten Tumor wird durch mehrere Faktoren beeinflusst, insbesondere aber durch das Alter bei der ersten Diagnose, die Art der ersten Krebs - er krankung und deren Behandlung. Unsere Auswertungen zeigen, dass das Risiko besonders hoch ist bei Personen, die bereits in jungen Jahren eine erste Krebserkrankung hatten. Ausserdem beobachten wir ein deutlich erhöhtes Risiko für weitere Tumoren bei Krebsarten, die eng mit dem Konsum von Alkohol oder Tabak verbunden sind.