Ein Blick zurück mit Irma Boving (72): Die Beraterin der ersten Stunde setzte sich über 20 Jahre lang mit viel Herzblut für Krebsbetroffene und ihr Umfeld ein. Sie weiss auch, was es heisst, «auf der Seite der Anrufenden zu sein».
Ein Blick zurück mit Irma Boving (72): Die Beraterin der ersten Stunde setzte sich über 20 Jahre lang mit viel Herzblut für Krebsbetroffene und ihr Umfeld ein. Sie weiss auch, was es heisst, «auf der Seite der Anrufenden zu sein».
Wenn Sie an Ihre Zeit bei KrebsInfo zurückdenken: Welche Begleitung ist Ihnen am meisten in Erinnerung geblieben?
Irma Boving: Im Forum habe ich mal unter einem Pseudonym monatelang eine alleinstehende, schwangere Frau begleitet. Sie befürchtete, an Darmkrebs erkrankt zu sein und die Geburt ihres Kindes nicht mehr zu erleben. Ihre Ängste habe ich ernst genommen, obwohl ihr Verdacht medizinisch unbegründet war. Nach der Geburt bedankte sie sich und erzählte, es gehe ihr gut. Zudem hat sie ihr gesundes Mädchen nach meinem Pseudonym benannt hat – das hat mich sehr berührt.
Was war Ihr traurigstes Erlebnis?
Besonders schwierig fand ich, wenn es um junge, unheilbar Kranke ging. Bei einem jungen Mann mit HIV und einem Lymphom merkte ich bei jedem Anruf, wie er schwächer und verzweifelter wurde. Gleichzeitig hing er noch so sehr am Leben und an seiner Liebe. Er hat die Krankheit nicht überlebt.
Oder es kam ein verzweifelter Anruf eines Vaters von zwei Kleinkindern: Seine Frau hatte eben die Diagnose Hirntumor in einem sehr fortgeschrittenen Stadium erhalten. Wenige Tage nach dem ersten Anruf starb sie. Als ich den Namen der Frau erfuhr, wurde mir klar, dass ich früher einmal mit ihr zusammengearbeitet hatte.
Bei all den schwierigen Momenten: Gab es zwischendurch Grund zum Schmunzeln?
Einmal rief ein Mann an und gab uns einen Tipp: Frauen bekämen nie Prostatakrebs, weil sie beim Wasserlassen sitzen. Deshalb wolle er sich fortan immer setzen – ein Schutz vor Prostatakrebs! Oder eine Frau hatte gelesen, dass Chemotherapie aus Eiben gewonnen wird. Darum bot sie an, die Krebsliga könne ihren Baum fällen und abholen.
Welches Erlebnis war das prägendste?
Mein Mann erkrankte an einem Nierenkarzinom und verstarb nach wenigen Monaten. Diese Erfahrung und das Sterben eines geliebten Menschen hat meine Arbeit bei KrebsInfo stark beeinflusst: Meine Art zuzuhören und unterschiedliche Emotionen mit ihren Höhen und Tiefen zu verstehen. Plötzlich war ich auf der anderen Seite des Telefons.
Interview: Pia Schüpbach, Bilder: zvg.
Betroffene, Angehörige, weitere Interessierte und Fachpersonen können den Dienst unter der Woche per Telefon, E-Mail, Chat oder WhatsApp von 10 Uhr bis 18 Uhr erreichen.